Online GVA Inspirationsgespräch
Natur bewusst erleben
Die scheinbar unerschöpflichen Ressourcen der Natur bilden die Lebensgrundlagen des Menschen. Viele Besucher_innen kommen in unser Land, um die Kraft der Natur zu genießen und sich in der Natur zu bewegen. Wie gelingt es uns, den Erhalt unserer Natur- und Kulturlandschaft mit der Freizeitnutzung in Einklang zu bringen? Wie entwickeln wir Naturvermittlungs-Angebote mit Mehrwert für alle?
Es inspirieren:
- Ole Ipsen, Projekt „Natur bewusst erleben“ Kleinwalsertal
- Ruth Swoboda, Direktorin der inatura, Naturschätze in Vorarlberg, Naturvermittlung
- Christiane Machold, Abteilung Umwelt- & Klimaschutz im Land Vorarlberg, Projekt „Naturvielfalt in Gemeinden“
- Christine Klenovec, Verein Wassertal Lutzschwefelbad & Saunawagen, Biosphärenpark Großwalsertal
- Joachim Kresser, Geschäftsführer witus Wirtschaft & Tourismus, Bienengarten „Noreia“ Bezau
Natur als endliche und wertvolle Ressource für den Tourismus kennen und schätzen lernen
Am 18. Mai fand das erste von drei Online-Inspirationsgesprächen zum Thema „Natur bewusst erleben“ von Gastgeben auf Vorarlberger Art statt. Fünf Einblicke in interessante Projekte und Ideen.
Die Natur und deren Vielfalt ist für viele Besucher_innen einer der maßgeblichsten Gründe, um in Vorarlberg Urlaub zu machen. Die unmittelbare Nähe von Seen, Wäldern und Hochgebirgen ist eine Vorarlberger Besonderheit. Im vergangenen Jahr ist auch bei vielen Vorarlbergern die Natur als wertvolle Ressource zur Erholung und Entspannung stärker ins Bewusstsein gerückt.
Gerade deshalb ist es wichtig, dass diese begrenzten Naturräume erhalten bleiben, meint auch Ruth Swoboda, Direktorin der inatura in Dornbirn. Bereits seit zehn Jahren ist die Biologin beim Naturkundemuseum und sieht sich selbst und das Museum als Vermittler für Wissen rund um die Natur. Dieses Wissen macht für sie den Unterschied von Konsum und Genuss aus. Besonders fruchtbar ist diese Wissensvermittlung, gerade im Tourismus-Bereich, wenn sie mit Emotionen kombiniert wird. „Das Kleinwalsertal zeigt vor, was es ausmacht, wenn Touristiker_innen sich in der Natur auskennen. Dann erübrigen sich auch Diskussionen über die Natur als reine Event-, Natur- und Sportkulisse.“ Dieses Wissen der Touristiker_innen wird dann auch an die Gäste weitergegeben. Gezielt geschieht dies zum einen sehr niederschwellig durch einen Besuch der Urlauber in der inatura selbst. Zum anderen bietet das Naturkundliche Museum die Ausbildung zum Naturführer bzw. zur Naturführerin an. „Die persönliche Vermittlung ist das A und O!“, so Swoboda. „Der Vorteil für die Führer selbst ist, dass sie Vorarlberg gut kennenlernen. Und die Touristiker haben gute Vermittler für ihre Gäste.“
Eine Gegend, in der Natur und Tourismus bereits Hand in Hand gehen ist das Kleinwalsertal. Hier wurde 2018 aufgrund des Bedarfs für ein Lenkungskonzept das Projekt „Natur bewusst erleben“ gestartet. Tourismusexperte Ole Ipsen vom Projekt betont die Wichtigkeit der Integration der Bevölkerung und anderer Interessensgruppen. Das Projekt, bei dem unter anderem Jäger, Förster, der Alpenverein und Personen aus der Ski- und Freizeitbranche eingebunden wurden, stieß bei der Bevölkerung im Kleinwalsertal auf großen Anklang. Die Gäste selbst können durch Veranstaltungen, Führungen und Outdoor Family Camps an der Naturvermittlung teilhaben. „Sie spüren aber auch, dass wir im Kleinwalsertal uns ehrlich mit der Natur beschäftigen.“ Das Projekt wächst weiterhin und fördert die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung, unter anderem durch Schulprojekte. Geplant sind im Sommer auch die Realisierung von „Naturforscher-Abenteuern“, bei denen Familien mit einem Forscherbuch die Natur im Kleinwalsertal kennenlernen können. „Es ist schön, dass wir aus einer Herausforderung etwas gemacht haben, was allen guttut. Tourismus kann auch als Lebensraumgestalter agieren und dokumentieren, wie es der Region geht.“
Das Bewusstsein der Bevölkerung zu stärken war auch das Ziel des Projekts „Naturvielfalt in Gemeinden.“ Die Biologin Christiane Machold von der Umwelt- und Klimaschutz-Abteilung des Landes Vorarlberg begleitete das zehnjährige Projekt, das bis 2018 lief. Im Rahmen des Projekts entstanden viele Kleinprojekte in unterschiedlichen Gemeinden im ganzen Land. In manchen Gemeinden wurden Blühflächen geschaffen, in anderen wurde gemeinsam mit Flüchtlingen Unkraut und Neophyten entfernt. Auch Bach- und Moorrenaturierungen standen am Programm. „Immer wieder wurden auch Kinder und Schulen eingebunden. Wichtig war uns, dass Praxiswissen generiert wird, das im täglichen Leben angenommen und umgesetzt werden kann.“ Das Bewusstsein für die Natur vor der eigenen Haustür wurde gestärkt und öffentliche Flächen für Insekten, Bienen und andere Bestäuber attraktiver gestaltet. „Im Rahmen des Projekts gibt es viele schöne Geschichten von Menschen aus den Gemeinden. Besonders berührend war, als ein Bauhof-Mitarbeiter nach einem Projekt erkannt hat, wie sinnvoll und wichtig seine Arbeit ist.“ Im Tourismusbereich, besonders bei den Hoteliers, wurde auf die Aufklärung über die Schädlichkeit von Mährobotern gesetzt. „Die Frage ist auch: Wie sind wir gute Gastgeber_innen für die Artenvielfalt?“
Christine Klenovec vom Biosphärenpark Großwalsertal weiß, wie wichtig es ist, auch in besiedeltem Gebiet die Natur zu schützen. In der landwirtschaftlichen Region setzt der Biosphärenpark auf bäuerliche Werte und Traditionen sowie deren Erhalt. „Wichtig ist vor allem, dass wir die Menschen vor Ort und deren Lebensphilosophie einbinden, und transportieren statt inszenieren. Wir wollen als Gemeinschaft nachhaltig leben und das schützen, was wir schätzen.“ Daher standen partizipative Prozesse und das Bewusstwerden von alten Werten und Traditionen im Vordergrund. Inzwischen gibt es im Großwalsertal viele aktive Bauern und Bäuerinnen, die beispielsweise Kräuterwanderungen anbieten. „Die Menschen sind mit Emotion dabei. Das ist authentisch und gibt dem Großwalsertal viel Qualität. Diese Authentizität ist dann für die Gäste sichtbar.“ Auch der Konsum von Lebensmitteln geschieht in der Region bewusster und in der Bevölkerung gibt es eine große Artenkenntnis. Das Biosphärenparkhaus, die Neuerzählung der Geschichte des Bergkäses, geführte Wanderungen durch Berg Aktiv und die Neugestaltung des Badebereichs im Lutzschwefelbad sind weitere Projekte im Großwalsertal. „Die Pilotprojekte fungieren dann wie Dominosteine und bringen weitere Projekte ins Rollen.“
Im Bregenzerwald realisiert Wirtschaft und Tourismus, kurz: witus, unter der Geschäftsführung von Joachim Kresser verschiedene Naturprojekte. „Die Naturräume sind für uns im Bregenzerwald das wertvollste Gut und im Hinblick auf den Tourismus unsere Hauptressource. Wir bei witus interessieren uns eigentlich für alles, was die Region lebenswerter macht und arbeiten an diesem Ziel in allen Bereichen.“ Dafür pachtete witus eine Wiese in Bezau und funktionierte diese von einer Intensivwiese in eine extensive Blühwiese um. „Wichtig war uns auch die soziale Komponente und die Schaffung eines Begegnungs- und Rückzugsortes.“ Bei der Blühwiese wird gemeinsam Unkraut gejätet, Gemüse angepflanzt, es gibt Sensenkurse und mit Totholz und Steinhaufen wird eine artenfreundliche Umgebung geschaffen. „Es braucht ‚Zugpferde‘, denen das Projekt etwas bedeutet. Die Wiese ist inzwischen ein Selbstläufer.“ Anfangs gab es in der Region, besonders von den Landwirten, auch Kritik und negative Reaktionen. „Viele hat das Projekt aber auch zum Umdenken gebracht.“
Dieses neue Bewusstsein und die Stärkung des bereits vorhandenen war und ist bei allen Projekten ein wesentlicher Bestandteil. Das Schützen der Hauptressource des Vorarlberger Tourismus, der Natur, ist eine Herausforderung und zugleich eine Chance. Das Einbinden der Vorarlberger_innen in den Naturschutz ist nicht nur in der Natur selbst spürbar – auch unsere Urlaubsgäste bemerken das Wissen und die starke Authentizität in der Bevölkerung.